Eine wahre Geschichte von einem Burschenstreich 1950. Die Oberharthausener Burschen zogen einen Wagen mit den Kirchenglocken von Pönning in der Nacht nach Oberharthausen; diese Geschichte wurde in den "Heimatglocken", einer Beilage der Straubinger Zeitung abgedruckt, was eine Anzeige der Pönninger zur Folge hatte.
Diese Geschichte wurde von Heinrich Mayer aufgeschrieben und von Herrn Pfarrer Josef Schmaißer wiederentdeckt und veröffentlicht.
Eine Geschichte aus dem Gäuboden
(von Eva von Altrock, Straubing)
Nein, die Piepelinger können wirklich nichts Richtig´s zusammenbringen! Wie war denn das schon mit ihren neuen Glocken? Wie alle Gemeinden rundum sich ihre in den Krieg gezogenen Glocken wieder holten oder sich notfalls neue anschafften, steuerten auch die Piepelinger zusammen und bestellten beim berühmten Glockengießermeister Gugg in Straubing neue Glocken für ihr Kirchlein. Soweit war ja auch alles richtig. Meister Gugg tat denn auch seine Sache so gut, wie man´s von ihm erwarten konnte. Aber nun bitt´ ich Euch! Hat man denn schon jemals etwas anderes gehört, als dass eine Gemeinde ihre neuen Glocken vierspännig mit den schönsten Rössern, die sie stellen kann, auf mit Girlanden reich geschmückten Wagen, begleitet von einer vollzähligen Musikkapelle, bei der besonders die Posaunen, Pauken und Trompeten nicht fehlen dürfen, heimholt und vor der Kirche vom Herrn Pfarrer in feierlicher Zeremonie einsegnen lässt? Wie aber die Piepelinger? Etwas Grünes soll ja dran gewesen sein am Wagen, aber ist etwa ein einzelner Mann mit einer Quetsche eine Musikkapelle? Ich bitt` Euch! So bringen sie die Glocken heim und vor die Kirche zur Weihe! Der Herr Kooperator steht vor der Kirche und vor der Gemeinde und vor den Glocken, aber er erklärt, dass er sie nicht weihen könne. Warum kann er sie nicht weihen? Weil er keinen Auftrag dazu hat! Wer muß ihm den Auftrag dazu geben? Sein vorgesetzter Pfarrer in Punktkirchen. Dort zeigt sich, daß der Herr Pfarrer rein gar nichts weiß von neuen Glocken für Piepeling. Warum weiß der Herr Pfarrer gar nichts? Weil der Herr Pfarrer und sein Herr Kooperator zerkriegt sind und kein Sterbenswörtchen miteinander sprechen!
Es geht nun ein Gerede, dass hierbei die Worte gefallen seien, und zwar von gut christlicher Seite, „typisch pfäffisch“ , „da sieht mans wieder“! Aber das ist wohl nur so ein Gerede. Ich glaube es nicht, und ich jeden Warnen vor der Weiterverbreitung! Ich für meinen Teil bin der Meinung:
Da sieht man´s, was der Herr Kooperator und seine Gemeinde einander wert sind! Nix bringen sie richtig zusammen, die Piepelinger! Und so kam es, dass aus der Glockenweihe in Piepeling vorerst nichts wurde und der gummibereifte Plattenwagen mit den Glocken auf dem Hintertupfinger seiner Tenne erst mal abgstellt wurde, bis der Herr Pfarrer und der Herr Kooperator wieder miteinander sprechen würden.
Die Geschichte von der schon so kläglich eingeleiteten und nachher so völlig missglückten Glockenweihe lief natürlich in die Runde wie ein Feuer, und ´zuerst kam sie zu den Nachbarn, den Oberholzhausenern. Die grämten sich sehr, eine Woche lang. Sie empfanden tief die Schmach der kümmerlichen zwei Rösser und der mangeldnen Musikkapelle, denn einer mit einer Quetsche ist doch keine Musik, das ist doch eher ein Hohn! Am Samstag nach Feierabend beim Roten Ochsenwirt in Oberholzhausen war man sich völlig einig, daß das eine Schmach sei, eine Verhöhnung geheiligter Altvätersitte. Gegen 10 Uhr wurde der Beschluß gefasst, ebenso einstimmig, dass die Piepelinger ihre Glocke gar nicht wert seien. Gegen Mitternacht schritt man zur Tat.
Als dann am Sonntag der Herr Pfarrer höchst selbst die Glockenweihe vornehmen wollte und man das Scheuentor des Hintertupfingers öffnete – war die Tenne leer. Zum zweiten Mal konnte die Gemeinde unverrichteter Dinge nach Hause gehen! Und der Piepelinger Bürgermeister musste am heiligen Sonntag die Gendarmerie ausschicken, die fortgelaufenen Glocken zu suchen. Die hatte es ja nicht allzu schwer. Sie brauchte eigentlich nur dem Schall eines echt bajuwarischen Höhngelächters nachzugehen, das aus Oberholzhausen herüberschallte. Aber die Oberholzhausener gaben die Glocken nicht heraus! Nach uraltem Recht hatten die Piepelinger den Anspruch auf ihre Glocken verwirkt, weil sie sich ihrer nicht wert gezeigt hätten! Uraltes, unumstößliches Recht ist: Vier schönste Rösser und Pauken und Trompeten für den Glockenwagen! Die Oberholzhausener hätten nur geheiligtes Recht gewahrt und würden die Glocken dem meister Gugg wieder zurückstellen, der ja ebenfalls das Recht hätte, nicht gebührend geachtete Glocken wieder zurückzunehmen. Soweit könnte mans ich ja nur freuen, dass es doch noch Männer in Niederbayern gibt, die auf geheiligte Traditionen halten. Aber wie das nun so ist, wenn es an die Verhandlungen geht, da wird alles allmählich verwässert. Der schönste, steifste Standpunkt wird sozusagen so lange unterspült, bis man schließlich selbst nicht mehr weiß, woran man sich noch halten kann. Und so wurden auch hier zwei Paragraphen aus dem Gesetzbuch in die Verhandlung geworfen. Der eine besagte: Wer die Glocken bezahlt hat – dem gehören sie – und leider hatten die Piepelinger ihre Glocken im voraus bezahlt – und der andere sagte kurz: Glockendiebstahl = 200 DM.! Und nun versteifte sich der Piepelinger Bürgermeister ganz und gar und erklärte: „Wer die Glocken weggeführt hat, der mag sie wiederbringen; er jedenfalls werde keine Hand dazu rühren!“ Bei Weiderbringung der Glocken, fügte er etwas versöhnlicher hinzu, werde er dann keinen Strafantrag stellen. Wer kann es den Oberholzhausenern verdenken? Mannhaft hatten sie Altvätersitte verteidigen wollen – für den Fall, dass der Hofhund beim Hintertupfinger den Glockenwagen bewacht hätte, hatten sie vorsorglich eine läufige Hündin mitgenommen gehabt – aber wenn ihnen selbst die Paragraphen eines verständnislosen Gesetzbuches in den Rücken fallen, dann zum Teufel mit den würdigen, feierlichen Altvätersitten! Den am lautesten puckernden Bulldog haben sie vorgelegt vor den Glockenwagen und in der tollsten Gangart sind sie über Stock und Stein und alle Straßenlöcher getobt damit. Mitten auf der Dorfstraße von Pieperling haben sie ihn abgehängt und sind wieder davon! Aber überzeugt sind sie davon gewesen, daß solche verständnislosen Paragraphen, die jeden Sinn für Pietät und Tradition vermissen lassen, bestimmt nur von einem verfluchten Saupreußen in das Gesetzbuch hineingewerkelt worden sind!
Wer etwa die Orte Pieperling, Oberholzhausen und Punktkirchen auf der Karte des Gäubodens aufsuchen will, der wird vergebens suchen. Aber zugetragen hat sich das Stücklein so im Jahre des Heils 1950.
Der Burschenstreich wurde wegen obigen Zeitungsartikels von Landwirt Recknagel Pönning zur Anzeige gebracht. Hier ist der Schriftverkehr des Rechtsanwalts Höchtl und die Gegendarstellung für die Zeitung.