Zweiter Weltkrieg und Bombardierung am 5. 2.1945
(von Pfarrer Josef Schmaißer: Orts-und Hofgeschichte von Oberharthausen)
Man war es gewohnt, dass gegen Ende des Krieges täglich Bombengeschwader aus südlicher (Italien) oder westlicher (England) Richtung über des Dorf in großer Höhe flogen. Dieser scheinbare Friede wurde jedoch am 05. Februar 1945 jäh unterbrochen. Es war ein Montag, Hochnebel lag über der Ebene um Straubing. Gegen Mittag lösten die Sirenen Vollalarm aus. Die Kinder der Volksschule Pönning wurden nach Hause geschickt. Unter ihnen waren auch Ludwig Stadler, geboren 1935, aus Oberharthausen und Ludwig Aigner aus Grollhof, geboren 1933. Der Dorfhirte Stadler hatte, wie gewohnt, die Zuchtsauen des Dorfes nach 12 Uhr zum Schweinepferch am Ostende des Dorfes (heute ist dort das Gemeinschaftshaus) getrieben. Der Bauer Michael Gürster, geb. 1883 und seine Tochter Ottilie, geb. 1922, trieben auch ihre Schweine zur Hauptstraße, um den Anschluss nicht zu verpassen. Da der Bomberlärm immer stärker wurde, stellten sie sich unter die mächtige Esche an derAuffahrt zum Hof. Zu ihnen gesellten sich die beiden Schüler Ludwig Stadler und Ludwig Aigner.
Der Bomberstrom flog von Süden kommend über das Dorf. Einige von ihnen luden dabei ihre Bombenlast ab. Man zählte später etwa 64 Bombeneinschläge. Der Schaden ist katastrophal. Drei Tote, zwei Verletzte, drei landwirtschaftliche Anwesen fast total zerstört. Den Einschlägen nach wurden drei Bombenstreifen gelegt, beginnend südlich vom Dorf, durch das Dorf, bis hinaus in die Feldflur, etwa innerhalb der beiden Zufahrtstraßen, die von Pilling und Ringenberg kommen. Im Augenblick des Bombenhagels standen Michael Gürster und seine Tochter Ottilie neben der Esche in Richtung Hof. Der Schüler Ludwig Stadler suchte Schutz am Eschenstamm und Ludwig Aigner befand sich etwa seitlich vom Baumstamm. Etwa 10 Meter hinter ihnen schlug eine Bombe (oder waren es zwei?) in die Hauswiese ein. Die beiden Gürsters und Ludwig Aigner waren sofort tot (Lungenriss). Ludwig Stadler schützte der Baumstamm vor dem tödlichen Luftdruck. Er erhielt einen Splitter in den Oberschenkel, ein anderer traf ihn am Hinterkopf, ohne tief einzudringen. Weiter wurden seine Bücher im Schulranzen von Splittern durchbohrt.
Hier sieht man das "Lob Gottes" des Schulbuben Ludwig Stadlers, das den Granatsplitter aufgehalten hat. Er hatte den Schulranzen am Rücken getragen. Ohne dem Ranzen und dem Buch hätte ihn der Granatsplitter töten können. Seinen Lebensretter, das "Lob Gottes" hat sich Ludwig Stadler bis heute aufgehoben.
Die Tochter Maria Gürster, geb. 1930, hörte die Bomben, alarmierte die Mutter und flüchtete sich ins Haus. Sie suchte unter einem Eichentisch Schutz, der rettete ihr das Leben. Er hielt Balken und Schutt von dem Mädchen ab. Frau Wally Gürster schützte das „böhmische Gewölbe“ des Pferdestalles, das dem Druck nicht wich. Die Bomben brachten das Haus und den Pferdestall zum Einsturz, ebenso den Ostteil der Scheune, den Schuppen und den großen Backofen mit Schmiede. Weitere Bomben fielen in nächster Nähe. Das Anwesen des Josef Lachenschmied wurde zerstört. Eine Bombe schlug direkt auf die Ortsstraße ein. Sie brachte einen Knüppeldamm in etwa 1 Meter Tiefe zum Vorschein. Nach einer alten Erzählung fuhr einst eine Gräfin durch das Dorf. Sie blieb jedoch im tiefen Schlamm stecken. Auf das hin ließ sie, wohl aus Mitleid mit dem Dorf, die Straße mit einem Knüppeldamm befestigen. Auch soll von ihr das lebensgroße Kreuz in der Kirche stammen. Sagen haben doch eine historische Wurzel! Eine andere Bombe beschädigte die Bergmann-Scheune schwer (heute Weißhaus). Andere Bomben fielen auf die Felder, die zum Teilnicht zur Explosion kamen.
Das Anwesen des Johann Schiesl, neben der Auffahrt zum Gürsterhof, wurde schwer getroffen. Ein Volltreffer schlug in den Stall und tötete das Vieh. Einer Kuh wurde der Kopf abgerissen. Er flog, noch angekettet an einem Stück des Futterbarrens, in die nebenanliegende Küche. Die Zwischenwand zum Haus wurde eingerissen. Der kleine Sohn Hans schwänzte an diesem Tag die Schule. Er lief in jenen Minuten zum Schutz ins Haus. Als der Stall und das angebaute Wohnhaus einstürzten, wurde er durch einen Balken an den Wassergrand gedrückt und erlitt eine Schädelfraktur an der Stirnseite, die heute noch sichtbar ist. Wacker Heinrich fuhr ihn im Eiltempo mit seinem Pferdegespann ins Krankenhaus nach Straubing. Weitere Bomben gingen östlich des Dorfes nieder. Sie töteten ein Schwein im Pferch, andere liefen verletzt wie wild nach Hause. Als sich das Dorf vom Schrecken erholt hatte, versuchte man zu retten, was noch zu retten war. Selbst die französischen Kriegsgefangenen bei Gürster mühten sich eifrig und weinten bitterlich wegen der Toten. Am 06. Februar setzte Tauwetter und Regen ein. Hochwasser suchte das Dorf heim. Die Bombentrichter füllten sich mit Wasser und verhinderten jeden Verkehr auf der Straße. Die Beerdigung der Bombenopfer erfolgte erst am Samstag, 10. Februar. Man hoffte, dass einer der vier Söhne der Familie Gürster, die alle Soldaten waren, zur Beerdigung kommen könnte. Dem war nicht so. Michael, der älteste Sohn, wurde am 20. Februar 1945 für ständig beurlaubt. Albert kam zu einem Kurzurlaub. Bei den Aufräumungsarbeiten im Hause Gürster wurde ein Wecker gefunden. Er blieb um 12.40 Uhr stehen.
Das Heimatbuch der Gemeinde Mötzing, erstellt von Josef Gstettner im Jahre 2001, berichtet: “ Am 05. Februar, 12.45 Uhr fielen Bomben auf Schönach. Es starben dabei eine Person, fünf wurden verletzt, zwölf Häuser wurden beschädigt.“ Es handelte sich hier wohl um das gleiche Bombengeschwader, das zuvor Oberharthausen bombadierte. Es stellt sich die Frage, warum wurde das unbedeutende Dorf Oberharthausen und auch Schönach bombadiert wurden? Eine Verwechslung mit dem Flugplatz Mitterharthausen ist wohl ausgeschlossen. Der Flugplatz war in den amerikanischen Karten genau südlich von Straubing erfasst.
Eine andere Version ist wohl eher diese: Ein deutsches Jagdflugzeug „begleitete“ schon länger das Bombengeschwader, nahm dann bei Perkam durch die Wolkendecke Reißaus und rauschte im Tiefflug über Oberharthausen in Richtung Flugplatz. Als der Pilot landete, sagte er der Fernmeldeangestellten Maria Stolzweki (geb. Wallner): „Wenn Ihr Dorf jetzt bombardiert wird, dann habe ich das verursacht.“ Da aber auch 5 Minuten später Schönach bombadiert wurde, scheint es sich doch um eine reine Racheaktion der Amerikaner gegen die deutsche Zivilbevölkerung zu handeln.
Bei den Flugzeugen, die ihre Bomben auf Oberharthausen abwarfen, handelte es sich um Consolidated B-24 Liberator der Bomberstaffel der 461. Bomber Gruppe, 49. Bomber Geschwader der 15. Luftflotte (stationiert in Italien). Das Flugzeug ist ein viermotoriger schwerer Bomber des Flugzeugherstellers Consolidated Aircraft. Das Kommando für die 15. Luftflotte hatte zu dem Zeitpunkt der amerikanische General Carl A. Spaatz, der dann später auch für die strategische Bombardierung Japans verantwortlich war, die darin gipfelte, dass Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki geworfen wurden.
Aufsatz von Helmut Erwert, am 4.2.2010 in der Straubinger Zeitung
Tag der Irrungen, Stunden der Wirrungen
5. Februar 1945 und die "Kollateralschäden" der US-Bomber in Straubing, Oberharthausen, Schönach
Von Helmut Erwert
Heiße Debatten im Bundestag, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, unentwegt Fernsehberichte - und kein Ende der Forderung nach Aufklärung, warum im September 2009 ein Fliegerangriff nahe Kundus in Afghanistan 142 Menschen das Leben kostete, keineswegs nur Taliban, sondern auch Zivilisten, Frauen und Kinder. Als am 5. Februar 1945 eine große Anzahl Bomben auf die Häuser und Felder der Stadt Straubing, von Oberharthausen und Schönach regnete, 48 Menschen, auch Frauen und Kinder, in den Tod riss, fragte keine Regierung, kein Untersuchungsausschuss, keine Presse nach dem WarumEin militärisches Ziel war bei den Abwürfen nicht erkennbar, ein ziviles nicht definierbar. Unsichtbar für die Stadt- und Landbewohner brummten an dem Tag mehr als drei Dutzend viermotorige Fliegende Festungen und Liberator über einer dichten Wolkendecke daher, schickten, weit gestreut, eine tödliche Bombenlast hernieder.Das blutige Ereignis jährt sich am 5. Februar zum 65. Male. Der Ortshistoriker Pfarrer Josef Schmaißer hat für Oberharthausen die genauen Umstände gesammelt und publiziert, zwei umtriebige Männer, heimatverbunden, geschichtsinteressiert, lässt die Frage nach dem Warum bis heute nicht ruhen. Heinrich Sax und Robert Schrock gehen jedem Indiz nach, das den Grund der Bombenabwürfe einsichtig machen könnte. Die Gemeinde Oberharthausen gestaltet einen Gedenk- und Erinnerungsabend, um die Opfer und die schrecklichen Erlebnisse der Zeitzeugen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.Erdrückende, übermächtige Luftüberlegenheit Was ist aus den US-Archiven für jene Bombardements des 5. Februar rekonstruierbar? Eindeutig steht fest, dass drei Monate vor Kriegsende die Alliierten über die absolute Luftüberlegenheit, über eine unvorstellbar große Armada von Jägern und Bombern, eine überwältigende Reserve an Munition und Explosivstoffen verfügten. Die Achte, die Neunte, die Zwölfte, die Fünfzehnte US-Luftflotte konnten täglich mehrere tausend Bomber in den deutschen Luftraum schicken, - die englischen und russischen nicht mitgezählt. Sie trafen auf keine nennenswerte Gegenwehr deutscher Jäger.Nach Ausweis des Hauptquartiers der Alliierten Mittelmeerluftstreitkräfte befahl die Neunte Air Force an dem nebligen, wolkenverhangenen 5. Februar von Italien aus 230 B-17- und 423 B-24-Bomber sowie 102 Stück P-38- und 153 Stück P-51-Jäger zum Begleitschutz nach Regensburg, um dort die Öldepots zu bombardieren. ("The main effort was again against the enemy's oil facilities, with a heavy attack on the important Regensburg Oil Storage facilities.") Insgesamt 653 viermotorige Flugzeugbrummer, vollgepackt mit High Explosives, und 255 Jäger! Eine solche Anzahl, auf ein lokales Ziel angesetzt, brachte die gesamte deutsche Luftwaffe nicht mehr zusammen.Ein Bomberstrom war schwer zusammenzuhalten Leider scheinen die Flugeinweisungen, Mission Reports und Angriffsprotokolle für die auf unser Gebiet bezogenen Bombergruppen nicht erhalten zu sein. Sicher geht aus den Quellen hervor, dass 218 - von den 230 gestarteten Fliegenden Festungen - und 336 - von den 423 Liberators - ihren Weg nach Regensburg fanden, seit 12.40 Uhr, teils "by PFF-methods" (Pfadfinder-Radar), teils mit Sicht, ihre Bomben ins Ziel, auf das "primary target", den Regensburger Winter-Ölhafen, lenkten. Wo waren die fehlenden zwölf B-17-Flugzeuge und 87 B-24-Bomber, die beim Start noch im Pulk dabei waren, geblieben?Ein Bomberstrom so gewaltigen Ausmaßes war schwer zusammenzuhalten. Die Flieger starteten einzeln, hintereinander, auf verschiedenen Gruppenflugplätzen, mussten sich in der Luft erst in Formationen zusammenfinden, was nicht immer ausreichend gut gelang. Durch Maschinenprobleme (Verstopfung der Treibstoffleitung, Fehlzündung, Ölverlust etc.), Fehlinterpretation des Radarbildes u. a. drifteten einzelne Wellen und Flugzeuge auseinander, holten die anderen nicht mehr ein oder verirrten sich. Selbst die bis Regensburg gelangte erfolgreiche 464th Bomber Group listet in ihrem Narrative Mission Report vier Bomber auf, die das Ziel nicht erreichten: eine Maschine "lost the oil in No. 2 engine, bei einer weiteren fiel der Motor Nr. 1 aus "due to abstruction in the fuel line", eine dritte "had intensive engine malfunctions", eine vierte "had its No. 4 engine become inoperative".Die bedrängten Flugzeuge entledigten sich ihrer Bombenlast durch "Schüttwürfe" ("jettisoned") und kehrten vorzeitig um. Andere fünf Flugzeuge der Gruppe mussten erleben, dass beim Angriff einige Bomben im Schacht klemmten. Sie lösten sie später, ließen sie irgendwo auf Felder oder Häuser fallen.60 Tonnen Fehlwürfe auf die Stadt Straubing Die 461. Bomber Group verlor den Anschluss komplett, verflog sich, geriet - "approximately twenty miles east of course" - unwissentlich über Straubing, da der Navigator des Leitflugzeugs das Radarbild oder die Fluganweisung falsch interpretierte. Um 13.02 Uhr luden die 35 Viermotorer 61,5 Tonnen High Explosives (das waren 476 Fünf-Zentner- und acht Zehn-Zentnerbomben) auf die Stadt Straubing ab.Der Irrtum eines Navigators legte 25 Wohngebäude in Schutt und Asche, kostete 44 Menschen das Leben. ("The Pathfinder Navigator got mixed up at this point ? . The jerk thought it was the target, so we hit ten miles short of the storge grounds.") Kollateralschäden. Es war Krieg.Andere abgedriftete, verirrte, vorausfliegende oder nachhängende Flugzeuge ("due to becoming separated from the rest of the formation"), die das "primary target" Regensburg nicht erreichten, entledigten sich ihrer Bombenlast über einem wohl euphemistisch als "alternate target" oder "target of opportunity" bezeichneten Gebiet: Neun Bomber der 483. bzw. der 451. Gruppe ließen 17,75 Tonnen auf die Bahnanlagen in Rosenheim hinunterrauschen, sechs Liberators der 451. Gruppe nutzten die gute Sicht auf die "Comeglians Road Bridge" in Oberitalien und luden dort ihre 11,4 Tonnen ab, ein B-17-Bomber der 2. BG warf seine 2,5-Tonnen-Last auf Salzburg.Fünf Dutzend Bombeneinschläge in Oberharthausen Zwei viermotorige B-17-Maschinen in Begleitung von zwei B-24-Brummern ließen ihre neun Tonnen auf "other targets of opportunity" fallen. Könnten diese vier Maschinen, von denen keine näheren Angaben bekannt sind, die Bomben über Oberharthausen abgeworfen haben ? Gehörten sie zur 461. Gruppe, waren den anderen 35 Bombern, die 20 Minuten später Straubing bombardierten, vorausgeflogen?Es wird vermutlich ein Geheimnis bleiben, welcher Angriffswelle auf Regensburg die drei oder vier Flugzeuge zugehörten, die die 64 Bombeneinschläge auf Oberharthausen, fünf Minuten später jene auf Schönach verursachten.Pfarrer Josef Schmaißer hat die Umstände der Bombardierung rekonstruiert und stellt die Frage, warum diese Bomben auf das kriegstechnisch unbedeutende Dorf fielen. Zeitzeugen wollen einen Grund gesehen haben: Ein deutsches Jagdflugzeug habe die US-Bomber begleitet, sei im Tiefflug über Oberharthausen hinweggerauscht, in Mitterharthausen gelandet. Der Pilot habe erklärt, wenn Oberharthausen bombardiert werde, "habe ich das verursacht". Irrtum, Verlegenheit oder Desorientierung?Wie wahrscheinlich ist es aber, dass drei oder vier abgeirrte US-Bomber aus Ärger über die Belästigung durch einen deutschen Jäger sofort die Bombenschächte öffneten? Was konnten sie annehmen, dass sie bombardierten, da sie unter sich nur eine dicke Wolkenschicht wahrnahmen? Die geringe Zahl Häuser in Oberharthausen oder Schönach war auf dem Radarbild womöglich kaum erkennbar. Für einen Zielflug mit Bombenabwurf mussten exakte logistische Vorgaben vorhanden sein. Auf ein so kleines, unwichtiges Ziel dürften die Flugbesatzungen kaum "gebrieft" worden sein. Wie realistisch ist also die Annahme, die Amerikaner hätten die deutsche Zivilbevölkerung in Oberhausen und Schönach aus Rachegelüst bombardiert? Irrtum, Verlegenheit, Desorientierung sind die wahrscheinlichsten Gründe.Wie auch immer, in Schönach wurde eine Person tödlich getroffen, in Oberharthausen verloren Michael Gürster, seine Tochter Ottilie und der Schüler Ludwig Aigner ihr Leben. Eine späte Entschuldigung, auch eine Erklärung, liefert der Sohn eines hohen Stabsoffiziers jener Geschwader in einer E-Mail an Heinrich Sax: "I am extremely sorry that Oberharthausen was hit. It was not an intentional thing."
Literatur: Helmut Erwert: Feuersturm, Zigarettenwährung und Demokratie - Zeit des Umbruchs 1945 bis 1948 in der Stadt Straubing und in der Region Straubing-Bogen (erhältlich im Leserservice des Attenkoferverlags Straubing oder in jeder Buchhandlung). - Josef Schmaißer: Orts- und Hofgeschichte von Oberharthausen. (Zu beziehen über die Gemeinde Oberharthausen).
Zeitungsbericht von Elisabeth Ammer zur Veranstaltung am 5.2.2010:
Zeitungsbericht von Helmut Erwert in der Bogener Zeitung
vom 20.02.2015
VOR 70 JAHREN: DER „TOTALE KRIEG“ IN DER NIEDERBAYERISCHEN REGION |
Geschrieben von: Helmut Erwert |
Dienstag, den 03. März 2015 um 14:24 Uhr |
Hunderte von viermotorigen Bombern waren in den letzten Monaten vor Kriegsende fast jeden Tag über niederbayerischem Boden. (Fotos: Archiv Erwert/Quelle NARA; Luftbilddatenbank Würzburg) Luftschläge auf das zivile Hinterland?
Welch schrecklicher Monat Februar im Jahre 1945 in der Region! 70 Jahre nach Kriegsende tauchen immer wieder neue Berichte auf, die von einzelnen Bombenabwürfen in entlegenen Winkeln unserer Provinz sprechen. Hans Vicari überlieferte die Aussagen eines Zeitzeugen, dass am 20. Dezember 1944 nicht weniger als 15 Bomben „schräg durchs Dorf Hankofen“ niedergingen, die fast die gesamte Familie Meierhofer auslöschten. Am 5. Februar 1945 sausten 64 Bomben auf Oberharthausen, kurz später auf Schönach, die Michael Gürster, seine Tochter Ottilie und dem Schüler Ludwig Aigner das Leben kosteten. Am gleichen Tage wurde das Stadtgebiet Straubing mit einem Bombenteppich belegt, der in größter Dichte östlich-südöstlich von Straubing (bei der Eisenbahnabzweigung Bogen-Passau) die Felder durchpflügte, am 16. Februar 1945 verursachten Streubomben Tote in Barbing, auf dem Gut Rosenhof, in Lerchenfeld sowie bei Haselbach und Kollnburg. Was wollte die alliierte Kriegsführung mit solchen einzelnen Angriffen bezwecken? Warum fielen die Bomben auf rüstungstechnisch und strategisch unbedeutende Siedlungen, töten ausschließlich Zivilisten? Bomben auf zivile Ziele? Natürlich brandmarkte die zeitgenössische NS-Regierung solche tödlichen Ereignisse als barbarisch, die Sterbebilder der Bombenopfer vermelden, dass die Toten „bei einem Terror-Angriff“ ums Leben kamen. Doch waren die Bombenabwürfe auf unsere Provinz beabsichtigte, gezielte Luftschläge, obwohl kein militärisches Ziel erkennbar war? Weil heute, da Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei internationalen Tribunalen einklagbar sind, zum ersten Mal eine englische Zeitung die Briten zum Nachdenken über das am 13. Februar 1945 erfolgte Bombardement auf Dresden aufruft, hat die Frage „Bomben auf zivile Siedlungen?“ eine überregionale Bedeutung. Unter der Federführung des Luftmarschalls Arthur Harris propagierten die Briten in der Tat das „moral bombing“, da man naiverweise glaubte, Flächenbombardements, die unterschiedslos Krankenhäuser, Kulturdenkmäler und Wohnungen trafen, würden die betroffenen Stadtbewohner gegen ihre NS-Staatsführung aufstacheln. Stadtzentren wurden wissenschaftlich nach dem Grad ihrer Brennbarkeit untersucht, Abertausende Spreng- und Brandbomben auf sie geworfen mit dem rhetorisch umschriebenen Ziel, die Behausungen der Bewohner auszulöschen. Seit Februar 1945 näherten sich auch die US-Luftflottenstäbe den britischen Methoden, selbst Dorfsiedlungen waren von der Vernichtung nicht mehr ausgenommen. Der englische Historiker Richard Overy belegt die Bombardierung auf Deutschland im letzten Halbjahr vor Kriegsende 1945 mit der Überschrift „Der entfesselte Orkan“. Die Absicht des Bomber Command sei gewesen, „im zivilen Umfeld größtmögliche Schäden anzurichten und die Zahl der Opfer in die Höhe zu treiben.“ Die örtliche Aktenlage Heute noch berichten überlebende Zeitungsleser von ihren Kindheitsbeobachtungen. Maria Völkl, heute in Schierling, beobachtete fast täglich die Bomberflotten am Himmel, im Februar zogen sie Richtung Regensburg und Obertraubling, bei Postau südlich von Mallersdorf sah sie die Trümmer eines abgeschossenen Jägers. Für Oberharthausen hat Pfarrer Josef Schmaißer die genauen Umstände des Kriegendes publiziert, zwei umtriebige Männer der Gegend, heimatverbunden, geschichtsinteressiert, ließ die Frage nach dem Warum ebenso wenig ruhen. Heinrich Sax und Robert Schrock gingen jedem Indiz nach, das den Grund der örtlichen Bombenabwürfe einsichtig machen könnte, etwa, dass ein Pilot eines deutschen Jagdflugzeugs, das im Tiefflug die US-Bomber über Oberharthausen begleitet hatte, nach seiner Landung auf dem Flugfeld in Mitterharthausen behauptete: Wenn Oberharthausen bombardiert werde, „habe ich das verursacht“. Sollte also eine halbe Staffel von US-Bombern – aus Ärger über die Belästigung durch einen deutschen Jäger – spontan ihre Bombenschächte geöffnet haben, um einen deutschen Flieger oder die Ortschaft darunter zu treffen? Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Bomben diese Ziele erreichten, da doch eine dicke Wolkenschicht jede Sicht nach unten verhinderte? Bleibt die Version, dass die kleine Zahl von Bauernhäusern in Han-kofen oder in Oberharthausen und Schönach ein geplantes Angriffsziel gewesen sein könnte. Jedoch, ein solcher Zielanflug mit Bombenabwurf verlangte exakte logistische Vorgaben von der US-Air-Force, hätte ein so kleines Ziel wie ein paar Bauernhäuser diesen großen Aufwand gelohnt? Auf den Radarschirmen dürften die Ziele kaum auszumachen gewesen sein. In einer Untersuchung der Treffergenauigkeit bei Abwürfen über geschlossener Wolkendecke kamen Bomberstrategen außerdem auf sechs Prozent Treffer innerhalb eines Zielkreisradius von 1,5 Kilometern! Welche Erfolgsaussicht hätte also ein Zielanflug auf unsere dörflichen Mini-Ziele gehabt? Dies gilt für alle vereinzelten Bombenabwürfe in der Region, wofür es keine explizite Dokumentation in den „National Archives“ geben dürfte. Die oben beschriebenen Einzelaktionen stehen in Zusammenhang mit den zur selben Zeit eingeflogenen großen Bomberflotten mit exakter Zielbestimmung. Auch die Fehlwürfe auf Straubing vom 5. Februar 1945, die dokumentiert in Quellen erscheinen, sind in Zusammenhang mit einer geplanten Mission entstanden, was in einem Folgeartikel in der Straubinger Rundschau behandelt werden soll. Aus den US-Archiven Vor dem Einmarsch der US-Army nach Niederbayern war das vornehmliche Ziel der alliierten Luftstreitkräfte, die deutsche Kriegsmaschinerie (Militäranlagen, Waffen, Energieressourcen) zu treffen. Das Hauptquartier der alliierten Mittelmeerluftstreitkräfte in Italien befahl an jenem nebligen, wolkenverhangenen 5. Februar insgesamt 653 viermotorige Flugzeugbrummer, vollgepackt mit „High Explosives“ sowie 255 Jäger als Begleitschutz nach Regensburg, um dort die Öldepots zu bombardieren. („The main effort was again against the enemy’s oil facilities, with a heavy attack on the important Regensburg Oil Storage facilities.”) Ein Bomberstrom solch gewaltigen Ausmaßes war schwer zusammenzuhalten, auf dem weiten Weg von über 1 500 Kilometern gab es technische Ausfälle sowie Orientierungsprobleme. Die nach Regensburg gelangte 464th Bomber Group listete in ihrem „Narrative Mission Report“ vier Bomber ihrer Gruppe auf, die das Ziel nicht erreichten, da sie Probleme mit einem ihrer vier Motoren hatten – Ölverlust, Verstopfung der Treibstoffleitung, Motorstottern oder -ausfall. Die bedrängten Flugzeuge entledigten sich ihrer Bombenlast durch „Schüttwürfe“ („jettisoned“), kehrten um und flogen heim. Bei fünf Flugzeugen klemmten Bomben beim Zielabwurf im Schacht, sie warfen sie später irgendwo auf Felder oder Häuser ab. Vier andere viermotorige Brummer ließen am 5. Februar 1945 neun Tonnen auf „other targets of opportunity“ („Gelegenheitsziele“) fallen. So entstanden die unerwarteten Schüttwürfe auf Dörfer und Weiler unserer Provinz. Die ungeplanten Explosionen in Hankofen gehen also auf Verirrungen einzelner Maschinen des Bomberstrom vom 20. Dezember 1944 nach Straubing zurück, der die Kasernen und den Bahnhof zum Ziel hatte. Der Streuwurf von 64 Bomben auf Oberharthausen und Schönach am 5. Februar 1945 steht in Zusammenhang mit den verirrten 35 Flugzeugen, die ihre Fehlwürfe auf Straubing abluden. Die Explosionen vom 16. Februar entstanden bei einer Mission zum Flugfeld in Obertraubling, wo sich über dem Zielgebiet eingeklemmte Bomben nicht lösen wollten. Die späte Entschuldigung des Sohnes eines hohen Stabsoffiziers in einer E-Mail an Heinrich Sax liefert eine ausdrückliche Bestätigung für den Fehlwurf vom 5. Februar: „I am extremely sorry that Oberharthausen was hit. It was not an intentional thing!“ Bombeneinschläge im Dorf Oberharthausen und in umgebende Felder. Die Streuung der Einschläge in den umgebenden Feldern und im Dorf Oberharthausen lässt auf einen desorientierten Fehlwurf einiger US-Flugzeuge schließen. Deutlich vermittelt der optische Eindruck, wie die Flugzeuge in gerader Flugbahn die Bomben verloren. Hat sich die Welt geändert? „Aus der Geschichte lernen“ ist ein vielfach zitierter Satz. Das Lernen setzt Kenntnis und Erinnern voraus. Vor Jahren gestaltete die Gemeinde Oberharthausen einen Gedenk - und Erinnerungsabend, um die Opfer und die schrecklichen Erlebnisse vom 5. Februar 1945 nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Aus Anlass des Bomberabsturzes vom 16. Februar 1945 und der damit zusammenhängenden Gefährdung der Siedlungen hat es eine internationale Versöhnungsfeier am Ort der Ereignisse in Unterholzen bei Haselbach gegeben. Betroffene Menschen lernen aus der Geschichte. Könnten doch auch andere, die immer wieder neue Bombenabwürfe mit zivilen Opfern inszenieren, aus den blutigen Ereignissen eine Lehre ziehen. Literatur: Helmut Erwert: Feuersturm, Zigarettenwährung und Demokratie – Zeit des Umbruchs 1945 – 1948 in der Stadt Straubing und in der Region Straubing-Bogen. (Leserservice des Attenkoferverlags Straubing oder in jeder Buchhandlung) - Derselbe: Der Tod aus der Luft. Sonderdruck, Mitterfels 2014 (Buchhandlung Pustet, Straubing - Buchhandlung Winkelmeier, Bogen) - Josef Schmaißer: Orts- und Hofgeschichte von Oberharthausen. (Gemeinde Oberharthausen).
Quelle: Helmut Erwert, in: Bogener Zeitung vom 20. Februar 2015 (zeitversetzte Übernahme des Beitrags wegen einer 14-tägigen Sperrfrist) |
Diese Computersimulation (erstellt von Robert Schrock) zeigt Oberharthausen im April 1945 nach der Bombardierung. Die Karten sind Originale von Luftaufnahmen der Amerikaner (http://www.luftbilddatenbank.de/). (Zum Abspielen bitte auf das Video klicken!)
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Die drei Bombenopfer von Oberharthausen
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Aigner Ludwig, 12 Jahre |
Ottilie Gürster, 22 Jahre |
Michael Gürster, 64 Jahre |
Zeitungsanzeige
Bilder nach dem Bombenabwurf auf den Gürsterhof
(Bilder aufgenommen von Josef Hösl)
Als die Amerikaner am 28.4.1945 kamen ...
(Bild aus dem Buch "Feuersturm, Zigarettenwährung und Demokratie" von Helmut Erwert)
(Zeichnung aus dem Buch "History of the 71st Infantry division " von Fred Clinger)
(Als die Amerikaner kamen...... von Pfarrer Josef Schmaißer: Orts-und Hofgeschichte von Oberharthausen)
Es begann der Flieder zu blühen, als am Samstag, 28. April 1945, vormittags die Amerikaner von Pilling her ins Dorf Oberharthausen einzogen. Sie schossen zunächst 3 – 4 Granaten ins Dorf. Eine davon schlug in den Stall des Bauern Johann Schütz ein. Sie tötete 1 Pferd und 1 Zugochsen. Da keine deutsche Gegenreaktion kam und bereits die weiße Fahne auf dem Kirchturm hing (Johann Schießl und Heinrich Mayer), fuhren die Panzereinheiten ins Dorf. Hedwig Wallner zählte 163 große und kleine Panzer. Die Kinder winkten den „Befreiern“ mit weißen Tüchern zu. Ohne Halt fuhr die Militärkolonne nach Hirlbach - Feldkirchen. (Dauer der Durchfahrt 3 – 4 Stunden). Auf der Straße von Grollhof her, fuhr ein einsamer amerikanischer Jeep ins Dorf. Er reihte sich in eine Lücke der Militärkolonne ein. Am Ortsausgang blieb dieser Jeep im Morast der unbefestigten Straße stecken. Vom nachkommenden Fahrzeug stiegen hilfsbereite Soldaten aus und versuchten den Jeep wieder in Fahrt zu bringen. Bei diesem Unternehmen stellten sie plötzlich fest (wohl wegen Sprachschwierigkeiten der Insassen!), dass es sich um deutsche Soldaten handelte, die in amerikanischen Uniformen steckten. Man zerrte sie aus dem Jeep und entwaffnete sie. Den Karabiner und das Maschinengewehr schlug man auf den Boden, eine Panzerfaust warf man zur Seite. Dann schickte man die deutschen Soldaten ins Dorf zurück – sicher in der Hoffnung, nachfolgende Amerikaner würden sie schon festnehmen. Zeugen dieses Vorfalls waren *Michael Gürster und *Ludwig Stadler. Die verkleideten SS-Männer schlugen aber nicht die Hauptstraße ein, um sich gefangen nehmen zu lassen, sondern schlichen auf einem Seitenweg ins Dorf und verschwanden. Im Dorf hielten sich noch einige SS-Männer auf. Die einen saßen bei Danner in der Küche, wo sie sich stärkten und andere waren in der Aignerscheune. Im Laufe des Mittags fuhr ganz gemütlich ein Jeep aus der Richtung Perkam ins Dorf. Beim Ortseingang, in der Höhe der Mayer-Weide, kam es dann zu folgenschweren Schüssen. Die SSMänner in der Aignerscheune entdeckten den ankommenden Jeep. Sie gingen in der angrenzenden Sauweide in Stellung und feuerten mit einem MG (Maschinengewehr) auf die Besatzung des Jeeps. Zwei Amerikaner fielen tot aus dem Fahrzeug, als sie es verlassen wollten, um in Deckung zu gehen. Der Fahrer fuhr eiligst in Richtung Pilling weg. Michael Gürster und andere Dorfbewohner besichtigten den Unglücksort. Die beiden toten amerikanischen Soldaten (Dienstgrad unbekannt!), lagen mit dem Gesicht auf dem Rasen. Ihre beiden Arme waren mit vielen Armbanduhren „geschmückt“. Einer hatte neben seiner Hand ein Bündel deutschen Geldes liegen. Der Angriff war für die Amerikaner wohl ganz überraschend erfolgt. Sie ahnten nicht, dass sich noch deutsche Soldaten im Dorf aufhielten, obwohl ja das Dorf schon „eingenommen“ war. Von den SSMännern sah man anschließend keinen mehr.
Am Nachmittag kam dann – wie befürchtet – eine Kolonne amerikanischer Fahrzeuge aus Richtung Pilling heran. Sie schossen zunächst die Feldscheune des Peter Wild in Brand. Dann näherten sie sich in breiter Front dem Dorf. Etwa 500 Meter vor der Dorfgrenze schwärmten die Soldaten im Schutz der Panzer in Schützenkette aus. Schlimmstes war zu befürchten. Man hatte Angst, dass zur Strafe für die beiden Toten das Dorf nun niedergemacht werden würde. So bat man Josef Aigner (er war wegen einer Fußerfrierung in Russland aus dem Militär entlassen) und die evakuierte Frau Friedl aus Hamburg, die bei Semmelbauer wohnte, den Amerikanern entgegenzugehen, um das Dorf zu übergeben und um Gnade zu bitten. Hedwig Wallner reichte dazu Josef Aigner ihr weißes Taschentuch als Friedenszeichen. Beide beteuerten (Frau Friedl sprach englisch), dass das Dorf ohne deutsche Soldaten sei. Auf das hin mussten beide als Geiseln bei den Amerikanern bleiben. Nun rückten die Panzer und Soldaten ins Dorf ein. Sie durchsuchten gründlichst jedes Haus. Anna Schmaißer (ihr jüngster Bruder Hans war Mesner, jetzt jedoch mit 16 ¾ Jahren irgendwo Soldat) schloss das Läuthaus zum Kirchturm auf. Sie gab dem kontrollierenden Soldaten den Weg zum Turmaufgang frei. Doch dieser forderte sie jedoch auf, vorauszusteigen. Er kam mit der Waffe nach. Bei der Durchsuchung des Mayer-Hauses sprach ein Soldat den Sohn Heinrich (geboren 1926) an, ob er Soldat sei. Als ihm dieser seine noch offene, große Bauchverwundung zeigte, lächelte er und war zufrieden. Heinrich öffnete die Tür zur Wohnstube. Das Zimmer war mit vielen Waisenkindern aus Straubing belegt. Sie saßen auf Stroh, das man ihnen als Liegestatt aufgeschüttet hatte. Jede weitere Hausdurchsuchung wurde dann unterlassen. Frau Klara Höppler ( geb. Mayer) weiß zu den Waisenkindern auch noch eine kleine Geschichte: Ein Waisenkind hatte sich in der Speis versteckt, als ein schwarzer amerikanischer Soldat hereinkam. Das Mädchen schrie was sie konnte, weil sie in ihrem Leben noch keinen schwarzen Mann gesehen hatte. Der Soldat sagte dann immer nur okay, okay um sie zu beruhigen. Es war ihm sichtlich zuwider, dass sich das Kind vor ihm so erschreckte und er kam nie mehr in das Haus zurück. Frau Maria Sax erzählte, dass amerikanische Soldaten laufend Eier in die Stube brachten, die sie zusammen mit der Flüchtlingsfrau Thumm den Amerikanern stundenlang als Essen kochen mußte. Als kein Schmalz mehr da war, brachte ein Soldat sofort wieder einen neuen Topf, den er von einem anderen Anwesen stibitzte. Am Tisch sass derweil ein schwarzer Soldat, der einen großen Bündel Geldscheine in der Hand hielt, und die er grinsend immer wieder zählte.
Als kein Widerstandsnest im Dorf gefunden wurde, ernannten die Amerikaner Josef Aigner zum Ortssprecher. Er trug eine weiße Binde. Von Haus zu Haus gab er das abendliche Ausgangsverbot bekannt. Einige Häuser mussten zugunsten der Soldaten für die Nacht geräumt werden. Die Bewohner nahmen in der Scheune Wohnung. Hedwig Wallner und die Nachrichtenhelferin Thea Schneider aus Furth i. W. hatten ein besonderes Erlebnis. Als sie abends das Vieh fütterten, kam ein schwerbewaffneter Amerikaner in den Stall. Er fragte nach einer „Schaffel“. Als sie ihn nicht verstanden, zeigte er ihnen mit einer Mistgabel die Arbeit des Umstechens. Nun kapierten sie, was er mit der „Schaffel“ meinte. Sie brachten ihm eine Schaufel. Hedwig zeigte ihm noch den Platz, wo er nach getaner Arbeit die Schaufel abstellen solle. Und wirklich, als er am Ortseingang sein Schützenloch gegraben hatte, brachte er gehorsamst die Schaufel zurück. Im Gasthaus Wacker hatte ebenfalls ein Teil der amerikanischen Soldaten Quartier genommen. Bei der Durchsuchung des Hauses fand man ganz offen und frei einen deutschen Karabiner stehen. Sofort verdächtigte man den Wirt Heinrich Wacker, Besitzer der verbotenen Waffe zu sein. Man wollte mit ihm kurzen Prozess machen und ihn im Garten dafür erschießen. Die französischen Gefangenen jedoch, die im Tanzsaal ihr „Gefangenenlager“ hatten, traten heftig für ihn ein und bezeugten, dass dieses Gewehr dem deutschen Lagerposten Josef Hösl gehöre, der sich beim Kommen der Amerikaner abgesetzt habe. Die amerikanische Einheit rückte in der Morgenfrühe ab. Gottlob , das Dorf blieb vor einer Vergeltungsmaßnahme verschont.
* Der Unteroffizier Michael Gürster wurde im Febr. 1945 für dauernd beurlaubt, da sein Vater und seine Schwester Ottilie am 05.02.45 beim
Bombenangriff auf Oberharthausen getötet wurden. Es wurde auch sein Elternhaus zerstört.
* Ludwig Stadler, geboren 1935
Helden von Oberharthausen
Auch Oberharthausen hatte seine Helden. Männer und Frauen, die sich für das Wohl des Dorfes eingesetzt haben. Das zu einer Zeit, als man für diese Taten standrechtlich erschossen werden konnte.
Heute, am 28. April kamen die amerikanischen Soldaten in unser Dorf. Die weiße Fahne wurde von zwei tapferen Männer, Johann Schiesl und Heinrich Mayer, zur Begrüßung und friedlichen Übergabe auf dem Kirchturm gehängt. Es fuhr eine Militärkolonne durch das Dorf Richtung Feldkirchen. Man zählte um die 160 Panzer. Auf der Straße von Perkam her rollte ein Jeep ins Dorf. Zwei SS- Soldaten lagen unerkannt in einem Hinterhalt und schossen auf den Jeep. Zwei Amerikaner wurden getötet, der Fahrer fuhr davon. Die feigen SS-ler machten sich danach aus dem Staub. Es kam dann dazu, dass nach ein paar Stunden die Amerikaner vor dem Dorf auf breiter Front Aufstellung nahmen, um das Dorf zu beschießen.
Da war es Josef Aigner und die englisch sprechende Frau Friedl, die den Amerikanern mit einem weißen Taschentuch alleine entgegen gingen. Sie übergaben das Dorf und beteuerten, dass das Dorf jetzt ohne deutsche Soldaten sei. Beide wurden als Geiseln behalten, bis sie das Dorf durchsucht hatten. Als kein Widerstand im Dorf gefunden wurde, machten die Amerikaner Josef Aigner zum Dorfsprecher.
Unsere Helden sind die beiden Männer Johann Schiesl und Heinrich Mayer, die unter Lebensgefahr die weiße Fahne auf dem Kirchturm hissten und Josef Aigner und Frau Friedl, die nach diesem vorausgegangenen tödlichen Zwischenfall den Amerikanern das Dorf übergaben.
Dazu gehört schon Mut und Entschlossenheit. Andernorts wurden Männer, die die weiße Fahne hissten sofort von der SS aufghängt. Auch die Amerikaner wollten zuerst ein Gegenopfer haben, weil zwei Soldaten ihr Leben lassen mussten. Davon ließen sie aber Gott sei Dank wieder ab.
Heute blüht wieder der Flieder so wie vor 73 Jahren. Die Straßen sind ruhig, keine Panzer fahren die Dorfstraße herunter… es ist Frieden
Die Dorfgemeinschaft bedankt sich posthum bei diesen tapferen Männern und Frauen, die ihr Leben auf´s Spiel setzten, um das Leben im Dorf zu sichern.
Danke den ewigen Helden von Oberharthausen:
Johann Schiesl, Heinrich Mayer, Josef Aigner und Frau Friedl für eueren Einsatz!
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Es ist leider kein Bild von Frau Friedl vorhanden |
Heinrich Mayer | Johann Schiesl | Josef Aigner | Frau Friedl |
Am 28. April zog die 13. Panzerdivision , die sogenannten "Black Cats" durch Oberharthausen. Der Ort Oberharthausen wurde in verschiedenen Veteranenseiten der Amerikaner erwähnt. Die genaue Schreibweise war ihnen aber anscheinend nicht so geläufig. Es wird aber von einem Zwischenfall bei unserem Dorf berichtet. Näheres konnte (noch) nicht erforscht werden.
Was haben wir aus den ganzen Recherchen der letzten Jahre erfahren:
- Wir wissen woher die amerikanischen Bomber kamen (Italien, Torreto)
- Wir wissen welches Ziel die Bomber hatten (Ölhafen Regensburg)
- Wir wissen daß an diesem 5.2.1945 aus Italien nach Regensburg 653 Bomber unterwegs waren (230 B17 und 423 B24)
- Wir wissen, welche Bombergeschwader der Amerikaner unterwegs waren (the 460th , 461st, 464th , 465th484th and 485th)
- Wir wissen, dass ca 90 Flugzeuge das Ziel Regensburg nicht erreicht haben
- Wir wissen wie die Bomber zum Ziel navigiert wurden (Pathfindermethode mit Initial Punkt zum Auslösen der Bomben)
- Wir wissen, wie minutiös und genau die Routen und Flugstrecken der Bomberflüge aus Italien geplant wurden (sieh Pop sheet, maps)
- Wir wissen von den Schwierigkeiten der Piloten und Navigatoren (schlechte Sicht, Verwechslung von topografischen Punkten am Boden, Angst vor Flakbeschuss, Probleme mit neuen Flugzeugen, Probleme den Verbund mit anderen Bombern zusammen zu halten, Verlieren des Anschlusses, Falsches Erkennen des Initialpunktes, Schüttentleerung der Bomben bei Orientierungslosigkeit, Anfliegen von Ausweichszielen falls das Primäre nicht erreicht wurde..)
- Wir wissen, dass an diesem Tag nach uns auch noch Schönach , Regensburg und dann auch noch Straubing (44 Tote) bombardiert wurde.
- Wir wissen aus den Mission Reports (25,26,168) der Piloten nach der Landung, das Oberharthausen und Straubing eigentlich aus Versehen bombardiert wurden, weil die Navigatoren unaufmerksam oder falsche Initial Punkte erkannt haben, und danach die Bomben über ungeplante Ziele abgeworfen wurden.
- Wir wissen von den Geschehnissen und Opfern im Dorf
Es ist doch eine ganze Menge, was zu diesem schrecklichen Tag zusammengetragen werden konnte. Ob jetzt die todbringende Fracht von diesem oder jenem Bombergeschwader kam ist egal und ist auch nicht mehr zu erforschen.
Den unschuldigen Opfern zur Ehre wurden diese Recherchen gemacht. Es soll aber auch ein Beitrag zu unserer Heimatgeschichte des Dorfes sein, die untrennbar mit diesem Tag verbunden ist. Spätere Generationen sollen nachlesen können, welches Unglück sich an diesem Tag in Oberharthausen zugetragen hat.
Es sind ein einziges Mal Bomben auf uns hernieder gefallen, und es gab schon drei Tote... und man bedenke, es würde tagelang, wochenlang, jahrelang bombardiert werden?... wären wir dann auch Flüchtlinge geworden, hätten die Heimat verlassen müssen wie die ausgebombten Syrer heutzutage, stünden an den Grenzen und würden um Asyl bitten, nur um das nackte Leben zu retten...? Gottseidank ist unseren Eltern damals dieses Schicksal nicht zugeteilt geworden, und es zog nach diesem Tag wieder Normalität ein... die Syrer haben dieses Glück nicht...
Möge nie mehr so ein Tag kommen, aber möge der Tag auch nie vergessen werden…
Planung des Fluges mit Koordinaten- und Zeitangaben
Die Gefallenen des 2. Weltkrieges von Oberharthausen
(1939 – 1945)
Semmelbauer Jakob | + 22.08.1938 Deutschland | |
Semmelbauer Georg | + 07.09.1942 Rußland | |
Gruber Karl |
+ 22.09.1941 Rußland | |
Gruber Josef | + 20.04.1943 Rußland | |
Gruber Matthias | + 09.11.1944 Rußland | |
Lachenschmidt Franz | + 13.09.1943 Rußland | |
Rothammer Ludwig | + 17.12.1943 Rußland | |
Aigner Johann | + 12.10.1944 Deutschland | |
Schütz Johann | + 07.02.1945 Italien | |
Fesselt Wilhelm | + 23.03.1945 Österreich | |
Rienmüller Rudolf | verm. 03.01.1943 Italien | |
Luger Max | verm. März 1945 Ostpreußen | |
Krinner Josef | verm. 15.02.1945 Jugoslavien | |
Gürster Michael | + 05.02.1945 Oberharthausen Bombenangriff | |
Gürster Ottilie | + 05.02.1945 Oberharthausen Bombenangriff | |
Aigner Ludwig | + 05.02.1945 Oberharthausen Bombenangriff |
Kleine Geschichte, die gleich nach dem Krieg passierte...
Der Sepp Danner erzählt, dass sein Vater nach dem Krieg mit zwei Ochsen auf dem Feld arbeitete. Da kam ein deutscher Mann (ehemaliger deutscher Soldat) daher, der aus einem amerikanischen Gefangenenlager geflohen war. Er sagte zum Vater, ob er nicht heimgehen möchte und sein schlechtestes Gewand für ihn bringen möge. Er macht inzwischen mit dem arbeiten auf dem Feld weiter, weil er ein Bauer war und mit den Tieren umgehen konnte. Der Vater ging tatsächlich heim und holte ihm alte Kleidung. Der Mann war froh darüber, zog sich an und verbrannte die alte Kleidung. Dann zog er weiter in seine Heimat nach Franken.
So ein Schicksal hatten nach dem Kriege viele ehemalige Soldaten, die sich nur durch Flucht aus der Abschiebung zu den Russen in den Ural befreien konnten. Der Mann hatte Glück gehabt, dass Herr Danner ihm geholfen hat. Es hat auch andere Leute gegeben, die solche Flüchtlinge gemeldet haben. Es war jedenfalls eine schöne und gute Aktion von Herrn Josef Danner senior, dass er diesem Soldaten geholfen hat, dass er wieder in seine Heimat zurückgehen konnte.
Bild: Josef Danner senior