(Bild aus dem Buch "Feuersturm, Zigarettenwährung und Demokratie" von Helmut Erwert)
(Zeichnung aus dem Buch "History of the 71st Infantry division " von Fred Clinger)
Heute vor 70 Jahren besetzten die Amerikaner unseren Landkreis.
Über Straubing warfen sie hunderte solcher Flugblätter ab:
Im Zuge dieses Einmarsches erreichten die Amerikaner am 28.4.1945 vormittag auch Oberharthausen.
Pfarrer Josef Schmaißer beschreibt in der Dorfchronik Oberharthausen diesen Tag und die Ereignisse wie folgt:
Als die Amerikaner kamen ...
Es begann der Flieder zu blühen, als am Samstag, 28. April 1945, vormittags die Amerikaner von Pilling her ins Dorf Oberharthausen einzogen. Sie schossen zunächst 3 – 4 Granaten ins Dorf. Eine davon schlug in den Stall des Bauern Johann Schütz ein. Sie tötete 1 Pferd und 1 Zugochsen. Da keine deutsche Gegenreaktion kam und bereits die weiße Fahne auf dem Kirchturm hing (Johann Schießl und Heinrich Mayer), fuhren die Panzereinheiten ins Dorf. Hedwig Wallner zählte 163 große und kleine Panzer. Die Kinder winkten den „Befreiern“ mit weißen Tüchern zu. Ohne Halt fuhr die Militärkolonne nach Hirlbach - Feldkirchen. (Dauer der Durchfahrt 3 – 4 Stunden). Auf der Straße von Grollhof her, fuhr ein einsamer amerikanischer Jeep ins Dorf. Er reihte sich in eine Lücke der Militärkolonne ein. Am Ortsausgang blieb dieser Jeep im Morast der unbefestigten Straße stecken. Vom nachkommenden Fahrzeug stiegen hilfsbereite Soldaten aus und versuchten den Jeep wieder in Fahrt zu bringen. Bei diesem Unternehmen stellten sie plötzlich fest (wohl wegen Sprachschwierigkeiten der Insassen!), dass es sich um deutsche Soldaten handelte, die in amerikanischen Uniformen steckten. Man zerrte sie aus dem Jeep und entwaffnete sie. Den Karabiner und das Maschinengewehr schlug man auf den Boden, eine Panzerfaust warf man zur Seite. Dann schickte man die deutschen Soldaten ins Dorf zurück – sicher in der Hoffnung, nachfolgende Amerikaner würden sie schon festnehmen. Zeugen dieses Vorfalls waren *Michael Gürster und *Ludwig Stadler. Die verkleideten SS-Männer schlugen aber nicht die Hauptstraße ein, um sich gefangen nehmen zu lassen, sondern schlichen auf einem Seitenweg ins Dorf und verschwanden. Im Dorf hielten sich noch einige SS-Männer auf. Die einen saßen bei Danner in der Küche, wo sie sich stärkten und andere waren in der Aignerscheune. Im Laufe des Mittags fuhr ganz gemütlich ein Jeep aus der Richtung Perkam ins Dorf. Beim Ortseingang, in der Höhe der Mayer-Weide, kam es dann zu folgenschweren Schüssen. Die SSMänner in der Aignerscheune (man sagt es waren noch ungarische SS) entdeckten den ankommenden Jeep. Sie gingen in der angrenzenden Sauweide in Stellung und feuerten mit einem MG (Maschinengewehr) auf die Besatzung des Jeeps. Zwei Amerikaner fielen tot aus dem Fahrzeug, als sie es verlassen wollten, um in Deckung zu gehen. Der Fahrer fuhr eiligst in Richtung Pilling weg. Michael Gürster und andere Dorfbewohner besichtigten den Unglücksort. Die beiden toten amerikanischen Soldaten (Dienstgrad unbekannt!), lagen mit dem Gesicht auf dem Rasen. Ihre beiden Arme waren mit vielen Armbanduhren „geschmückt“. Einer hatte neben seiner Hand ein Bündel deutschen Geldes liegen. Der Angriff war für die Amerikaner wohl ganz überraschend erfolgt. Sie ahnten nicht, dass sich noch deutsche Soldaten im Dorf aufhielten, obwohl ja das Dorf schon „eingenommen“ war. Von den SSMännern sah man anschließend keinen mehr.
Am Nachmittag kam dann – wie befürchtet – eine Kolonne amerikanischer Fahrzeuge aus Richtung Pilling heran. Sie schossen zunächst die Feldscheune des Peter Wild in Brand. Dann näherten sie sich in breiter Front dem Dorf. Etwa 500 Meter vor der Dorfgrenze schwärmten die Soldaten im Schutz der Panzer in Schützenkette aus. Schlimmstes war zu befürchten. Man hatte Angst, dass zur Strafe für die beiden Toten das Dorf nun niedergemacht werden würde. So bat man Josef Aigner (er war wegen einer Fußerfrierung in Russland aus dem Militär entlassen) und die evakuierte Frau Friedl aus Hamburg, die bei Semmelbauer wohnte, den Amerikanern entgegenzugehen, um das Dorf zu übergeben und um Gnade zu bitten. Hedwig Wallner reichte dazu Josef Aigner ihr weißes Taschentuch als Friedenszeichen. Beide beteuerten (Frau Friedl sprach englisch), dass das Dorf ohne deutsche Soldaten sei. Auf das hin mussten beide als Geiseln bei den Amerikanern bleiben. Nun rückten die Panzer und Soldaten ins Dorf ein. Sie durchsuchten gründlichst jedes Haus. Anna Schmaißer (ihr jüngster Bruder Hans war Mesner, jetzt jedoch mit 16 ¾ Jahren irgendwo Soldat) schloss das Läuthaus zum Kirchturm auf. Sie gab dem kontrollierenden Soldaten den Weg zum Turmaufgang frei. Doch dieser forderte sie jedoch auf, vorauszusteigen. Er kam mit der Waffe nach. Bei der Durchsuchung des Mayer-Hauses sprach ein Soldat den Sohn Heinrich (geboren 1926) an, ob er Soldat sei. Als ihm dieser seine noch offene, große Bauchverwundung zeigte, lächelte er und war zufrieden. Heinrich öffnete die Tür zur Wohnstube. Das Zimmer war mit vielen Waisenkindern aus Straubing belegt. Sie saßen auf Stroh, das man ihnen als Liegestatt aufgeschüttet hatte. Jede weitere Hausdurchsuchung wurde dann unterlassen. Frau Klara Höppler ( geb. Mayer) weiß zu den Waisenkindern auch noch eine kleine Geschichte: Ein Waisenkind hatte sich in der Speis versteckt, als ein schwarzer amerikanischer Soldat hereinkam. Das Mädchen schrie was sie konnte, weil sie in ihrem Leben noch keinen schwarzen Mann gesehen hatte. Der Soldat sagte dann immer nur okay, okay um sie zu beruhigen. Es war ihm sichtlich zuwider, dass sich das Kind vor ihm so erschreckte und er kam nie mehr in das Haus zurück. Frau Maria Sax erzählte, dass amerikanische Soldaten laufend Eier in die Stube brachten, die sie zusammen mit der Flüchtlingsfrau Thumm den Amerikanern stundenlang als Essen kochen mußte. Als kein Schmalz mehr da war, brachte ein Soldat sofort wieder einen neuen Topf, den er von einem anderen Anwesen stibitzte. Am Tisch sass derweil ein schwarzer Soldat, der einen großen Bündel Geldscheine in der Hand hielt, und die er grinsend immer wieder zählte.
Als kein Widerstandsnest im Dorf gefunden wurde, ernannten die Amerikaner Josef Aigner zum Ortssprecher. Er trug eine weiße Binde. Von Haus zu Haus gab er das abendliche Ausgangsverbot bekannt. Einige Häuser mussten zugunsten der Soldaten für die Nacht geräumt werden. Die Bewohner nahmen in der Scheune Wohnung. Hedwig Wallner und die Nachrichtenhelferin Thea Schneider aus Furth i. W. hatten ein besonderes Erlebnis. Als sie abends das Vieh fütterten, kam ein schwerbewaffneter Amerikaner in den Stall. Er fragte nach einer „Schaffel“. Als sie ihn nicht verstanden, zeigte er ihnen mit einer Mistgabel die Arbeit des Umstechens. Nun kapierten sie, was er mit der „Schaffel“ meinte. Sie brachten ihm eine Schaufel. Hedwig zeigte ihm noch den Platz, wo er nach getaner Arbeit die Schaufel abstellen solle. Und wirklich, als er am Ortseingang sein Schützenloch gegraben hatte, brachte er gehorsamst die Schaufel zurück. Im Gasthaus Wacker hatte ebenfalls ein Teil der amerikanischen Soldaten Quartier genommen. Bei der Durchsuchung des Hauses fand man ganz offen und frei einen deutschen Karabiner stehen. Sofort verdächtigte man den Wirt Heinrich Wacker, Besitzer der verbotenen Waffe zu sein. Man wollte mit ihm kurzen Prozess machen und ihn im Garten dafür erschießen. Die französischen Gefangenen jedoch, die im Tanzsaal ihr „Gefangenenlager“ hatten, traten heftig für ihn ein und bezeugten, dass dieses Gewehr dem deutschen Lagerposten Josef Hösl gehöre, der sich beim Kommen der Amerikaner abgesetzt habe. Die amerikanische Einheit rückte in der Morgenfrühe ab. Gottlob , das Dorf blieb vor einer Vergeltungsmaßnahme verschont.
* Der Unteroffizier Michael Gürster wurde im Febr. 1945 für dauernd beurlaubt, da sein Vater und seine Schwester Ottilie am 05.02.45 beim
Bombenangriff auf Oberharthausen getötet wurden. Es wurde auch sein Elternhaus zerstört.
* Ludwig Stadler, geboren 1935
Heute vor 70 Jahren kamen die Amerikaner als Befreier in unser Dorf. Am 28. April war damit dieser unsägliche Krieg für unser Dorf zu Ende, der so viele Ängste, Schmerz und viele Leben gekostet hatte. Nur die in Gefangenschaft geratenen Männer mussten noch teilweise Jahre bis zu ihrer Heimkehr ausharren. Allein unser kleines Dorf musste 16 Leben lassen, 13 im Feld und 3 beim Bombenangriff. Beinahe hätten die feigen Schüsse von zwei ungarischen SS-Soldaten, die sich noch im Hinterhalt verschanzt hatten, und zwei Amerikaner in einem vorbeifahrenden Jeep töteten, zu einer Katastrophe geführt. Die Amerikaner nahmen schon in breiter Front Aufstellung auf das Dorf um es dem Erdboden gleich zu machen. Einem mutigen Mann und einer Englisch sprechenden Frau war es zu verdanken dass alles noch heil blieb.
70 Jahre ist jetzt Friede, und wir, die Nachkriegsgeneration können nur erahnen, was unsere Väter und Mütter mitgemacht haben. Mögen die jungen Leute wachsam sein und nicht mehr auf solche Volksverhetzer hereinfallen. Andersgläubige und ausländische Menschen haben das selbe Recht auf Leben und Unversehrtheit wie wir selber. Zeigen wir ihnen, dass wir dazugelernt haben und seien wir verständnisvolle und mitfühlende Freunde für die in Not geratenen Menschen.